Am Sonntag, den 09.06. wird das Europa-Parlament gewählt. Die EU wird häufig als Wirtschaftsunion verstanden oder mit freien Innengrenzen in Verbindung gebracht. Dabei trägt sie auch besondere Relevanz für die Bildungspolitik. Mit dem Vertrag von Maastricht 1992 wurde die Zuständigkeit der EU für Bildung offiziell anerkannt. “Die EU-Aktivitäten umfassen inzwischen das gesamte Spektrum der Bildungspolitik – von der Vorschulbildung bis hin zum lebenslangen Lernen in Beruf und Freizeit.” [1]
Gleichzeitig wird die Hochschulpolitik auf europäischer Ebene explizit durch die Mitgliedsstaaten selbst gestaltet (Subsidiaritätsprinzip). Der EU nimmt hierbei eine hauptsächlich unterstützende und koordinierende Rolle ein.
Anders sieht es aus bei der Forschungsförderung: die EU Kommission verwaltet das sogenannte europäische Forschungsrahmenprogramm. Die aktuell neunte Iteration des Programms mit dem Namen “Horizon Europe” verfügt über ein erhebliches Budget von über 95 Mrd. Euro! [2] Im Programm sind Förderungen von einigen hunderttausend bis hin zu mehreren Millionen Euro möglich, womit vielen Arbeitsgruppen die finanzielle Grundlage gewährt wird. Im Vorläuferprogramm “Horizon 2020” mit einer Gesamtsummer von ca. 80 Mrd. bezog Deutschland mit knapp 29 Mrd. die meisten Gelder. Im aktuellen Programm sind es bisher ca. 5 Mrd., wovon ca. 33 Mio. Euro an die Goethe-Universität gingen. [3] Daneben verwaltet die EU mehrere Töpfe für Quantenforschung, u.a. das 1 Mrd. Euro schwere Programm “Quantum Flagship”. [4]
Unser heutiges Hochschulsystem mit Einteilung in Bachelor und Master sowie der Erarbeitung von sogenannten ECTS (Credit points) ist ein Resultat der EU-weiten Bildungspolitik. Mit den 1998 angestoßenen Bologna-Reformen sollte eine europäische Integration und Vereinheitlichung der Hochschulbildung stattfinden. Die Reform ist seit ihrer Konzeption stetig unter Kritik geraten und war Mitauslöser für die bundesweiten Bildungsstreiks 2008/09. [5]
Der freie zusammenschluss von student*innenschaften (fzs, Dachverband der ASten) sprach sich schon 2004 in ihrer Mitgliederversammlung “[f]ür eine qualitative Studienreform” aus, die entgegen der Marktverwertungslogik und vermehrten Zugangsbeschränkungen im Zuge des Bachelor-Master-Systems steht. Stattdessen sollte das forschende Lernen für gesellschaftlich mündige Studierende ermöglicht werden. [6]
Nicht zuletzt sei laut einer Studie von 2009 vor allem die Umsetzung der erklärten Ziele der Bologna-Reform auf nationaler Ebene in Deutschland gescheitert, darunter die soziale Dimension. [5] Andreas Keller von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sprach im Zuge von 20 Jahre Bologna-Reform von Deutschland als “Europameister in sozialer Auslese” und betonte die Wichtigkeit einer umfassenden BAföG-Reform. [7] Dies wirke sich auch auf die von der Bologna-Reform erhoffte internationale Mobilität von Studierenden aus (Erasmus). „Einen Auslandsaufenthalt muss man sich schlicht leisten können – das können viele Studierende aber nicht.” [8]
Wir sehen also: Die EU gestaltet die deutsche Hochschullandschaft mit, vor allem über die Forschungsförderprogramme. Grund genug, um als potentiell zukünftige Wissenschaftler in der EU-Wahl mitzumischen! Gleichzeitig wird deutlich, dass auf EU-Ebene beschlossene Reformen auf nationaler Ebene anständig umgesetzt werden müssen. Das BAföG muss für ein Studium in Würde und ohne Notlagen reichen! Dafür ist eine starke Studierendenvertretung wichtig. Deshalb rufen wir als Fachschaft auf: Geht wählen und organisiert euch, am besten mit uns!
[1] www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/das-europalexikon/176715/bildungspolitik-der-eu/
[4] https://digital-strategy.ec.europa.eu/en/policies/quantum-technologies-flagship
[5] Banscherus, Gulbins, Himpele, Staack; Der Bologna-Prozess zwischen Anspruch und Wirklichkeit (2009)
[6] https://www.fzs.de/2004/05/19/fuer-eine-qualitative-studienreform/
[7] https://www.fzs.de/2018/05/23/kurswechsel-bologna/
[8] https://www.gew.de/aktuelles/detailseite/problemloesung-statt-schoenfaerberei-noetig